Fred ist eine ganz besondere Ameise!
Das Auffälligste an Fred ist seine neue Brille, mit der er nun viel besser sehen kann als früher. Bei den anderen Ameisen hat er sich mit dieser Brille schon ziemlich viel Respekt verschafft, denn sie haben so etwas vorher noch nie gesehen. Sie meinen, er sehe mit seiner Brille wie ein richtiger Forscher aus – und eigentlich ist er das auch.
Fred hat nämlich noch eine weitere Besonderheit: Wie kaum eine andere Ameise kann er Fragen stellen – vor allem zur Natur.
Seit einigen Jahren lebt er mit zahlreichen Freunden und Verwandten in einem großen Ameisenhügel mitten im Wald. Viele Tausende von Ameisen leben dort unter einem Dach. Die meisten von ihnen sind Weibchen, nur Fred und sein Freund Paul sind seltene Ausnahmen.
Im Ameisenhügel ist ein ständiges Kommen und Gehen, weil alle immer beschäftigt sind. Jeder muss nämlich mit anpacken: Die einen räumen im Ameisenhügel auf, andere schleppen Nahrung herbei und wieder andere bewachen den Hügel, damit den Ameisen nichts passieren kann. Freds Aufgabe ist es, Ästchen und Nadeln zusammenzutragen, mit denen das Dach des Ameisenhügels ausgebessert werden kann. Das ist eine sehr anstrengende Arbeit, denn so manche Tannennadel, die Fred von weit her zum Hügel schleppt, wiegt vielmehr als er selbst. Deshalb ist Fred abends oft zum Umfallen müde, aber er möchte mit keiner Ameise auf der Welt tauschen. Er mag es, täglich draußen in der freien Natur zu sein.
Oft hat er sich schon gedacht, wie froh er darüber ist, dass er keinen Innendienst im Ameisenhügel hat. „Immer nur von morgens bis abends in den Gängen zu sein – das wäre auf Dauer nichts für mich, weil es dort viel zu dunkel ist. Vor allem aber könnte ich dann gar nicht mehr die Umgebung erkunden und unbemerkt einige kleine Abenteuerreisen unternehmen.“
Im letzten Jahr hatte Fred gemeinsam mit seinem Freund Paul so manche Entdeckungstour unternommen und dabei spannende Experimente kennen gelernt.
Seit dieser Zeit hat sich Fred angewöhnt, mithilfe seiner Brille viel genauer hinzugucken als früher und die Dinge in seiner Umgebung noch genauer zu beobachten. Was es da alles Staunenswertes und Überraschendes zu sehen gibt! Fred geht all diesen Dingen auf den Grund und macht dabei vor keiner Frage halt.
Manchmal fällt er den anderen Ameisen mit seinen vielen Fragen auf die Nerven, aber sein Freund Paul hat immer ein offenes Ohr für ihn und weiß oft die richtigen Antworten.
Seit einigen Wochen träumt Fred davon, nicht nur den Wald, sondern auch die nahe gelegene Stadt zu erkunden. Bislang war noch keine Ameise aus seinem Hügel jemals dort gewesen. Untereinander tauschen sie sich die tollsten Geschichten über die Stadt aus: Dort leben zweibeinige Lebewesen, die so groß sind, dass Ameisen von ihnen nur die Füße sehen können, sosehr sie ihr Köpfchen auch strecken. Diese Zweibeiner – so erzählt man sich – sollen es vorziehen, in Häusern zu leben, die mindestens zehnmal so groß sind wie ein Ameisenhügel. Aber manchmal leben in einem solchen Riesenhaus nur drei oder vier Zweibeiner!
Eine der faszinierendsten Geschichten über diese seltsamen Lebewesen erzählt, dass sie nur selten etwas über weite Strecken selber tragen müssen, weil sie alles in rollenden Kisten transportieren. Zudem können sie große Entfernungen in kürzester Zeit überwinden, weil diese Kisten sehr schnell rollen können.
Fred hat diesen Geschichten immer etwas ungläubig zugehört: Wie groß muss denn so eine Kiste sein, wenn ein Riesenzweibeiner mit Gepäck – möglicherweise mit Ästchen und Tannennadeln – dort hineinpassen soll? Und dann soll das Ganze auch noch schnell sein – unmöglich! Dennoch: Wie praktisch, wenn Fred im Wald eines Tages auch ein solches Transportgerät hätte, sodass er nie wieder Äste und Nadeln schleppen müsste. Sein Freund Paul könnte seinen Transporter dann immer mitbenutzen!
Am liebsten würde Fred sich selbst ein Bild von der Stadt verschaffen, wäre der Weg dorthin nicht so unendlich weit …
Vor ein paar Wochen hat Fred in der Nähe des Ameisenhügels etwas entdeckt:
Regelmäßig kommen die Riesenzweibeiner aus der Stadt mit einem Korb voller leckerer Sachen auf eine Wiese und essen und trinken ihre mitgebrachten Leckereien. Manchmal kehrt Fred nach der Dämmerung – dann haben die Zweibeiner den Picknickplatz mit ihrem Korb längst wieder verlassen – noch einmal zurück, um von den liegen gelassenen Speisen zu naschen: Plätzchenkrümel, Apfelreste und sogar eine Salzstange hat er dort schon gefunden. Einige Tage später tauchen die Zweibeiner wie aus dem Nichts wieder mit einem randvollen Picknickkorb auf. Ob der Korb ein Weg ist, die Stadt und die Zweibeiner etwas näher kennen zu lernen? Fred hat da eine Idee …
„Wenn ich mich einfach im Korb verstecke, bevor die Zweibeiner den Wald wieder verlassen? Dann könnte ich gleichzeitig auch von all den leckeren Sachen im Korb naschen. Und ein paar Tage später komme ich mit dem Korb wieder auf den Picknickplatz zurück. Das muss ich unbedingt Paul erzählen. Fred kommt ins Schwärmen. „Viel zu gefährlich“, meint Paul, nachdem er nachdenklich Freds Plan angehört hat. „Was ist, wenn die Menschen – so heißen die Zweibeiner nämlich – nichtmehr in den Wald zurückkommen? Dann bleibst du für immer in der Stadt und keiner kann dich dort finden.“
Ratlos und ziemlich enttäuscht denkt Fred darüber nach, was sein Freund gesagt hat. „Vielleicht hat er ja recht und ich sollte das Verhalten dieser Menschen noch eine Weile beobachten, bevor ich mit ihnen im Korb mitgehe. Aber eines Tages werde ich als erste Ameise unseres Ameisenhügels die Stadt entdecken!“
